Jazzdiskurs 191 / 13.03.2018 / Timo Vollbrecht Fly Magic
New York ist für Musiker das Jazzmekka schlechthin – auch für deutsche Nachwuchskünstler. Deshalb ist Saxofonist Timo Vollbrecht auch nach seinem Studium in Berlin in den Big Apple gezogen und hat dort auch sein Quartett „Fly Magic“ geformt.
„Es ist ein Stück auf der CD: ‚Paco – eine hommage an paco de lucia‘, ich habe in Barceolona gelebt und hatte die Ehre, mit Flamencomusikern zu spielen. Ich liebe die Musik von Paco, das Stück hat einen Flamenco Groove, auch die Harmonien sind Flamenco beeinflusst. Aber es ist dann auch wichtig, den Musikern ihren Raum zu geben, es kann ganz woanders landen, wenn man ihnen Freiraum lässt, als Komponist darf man sich nicht zu sehr in das Material verlieben.“
Und um zu zeigen, dass Timo Vollbrecht nicht allzu sehr in seine eigene Kunst verliebt ist, lässt er seinen Mitmusikern diesen Raum. Und mehr noch: Ganz bewusst trägt das von ihm gegründete Quartett inzwischen nicht mehr seinen Namen.
„Zum einen ist das nicht besonders sexy. Zum anderen fand ich, dass das nicht die richtige Message ist, denn die Band ist eine richtige Band. Ob ich nun der Leader bin oder nicht, ob ich die meisten Kompositionen beisteuere, tut auch nichts zur Sache. Denn es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Jeder der Musiker ist mit Engagement dabei, es ist demokratisch. Deswegen war es gut einen Bandnamen zu haben. Der auch gut zur Musik passt. Mir sind die Wörter ‚fly‘ und ‚magic‘ eingefallen. Wir vermitteln das Gefühl des Fliegens und wir versuchen eine Magie zu erzeugen. Das ist eine der Visionen dieser Band.
Es stimmt, dass die Gitarre eine wichtige Rolle spielt. Keisuke Matsuno ist der Gitarrist, mein bester Freund und langjähriger musikalischer Partner. Er ist Berliner mit japanischen Wurzeln. Wir sind zusammen nach NY gegangen und haben hier studiert. Er ist ein wunderbarer Musiker, ich liebe seine Soundästhetik. Ich finde es gut, mich in den Sound integrieren zu können, denn ich bin nicht der Spieler, der als Frontman den Karren zieht, sondern ich liebe es, mich in die Gruppe zu integrieren, Schattierungen zu machen, Farben zu erzeugen. Das kann ich sehr gut mit Gitarre machen.“
„Ich liebe es, wenn es sich langsam entwickelt“
2010 ist der Saxofonist Timo Vollbrecht aus Berlin nach New York gegangen, um seine Studien bei so renommierten Musikern wir Joe Lovano, Mark Turner oder Stefon Harris fortzusetzen. Inzwischen hat er sich in der New Yorker Szene einen Namen gemacht, sogar über den Jazz hinaus: Gerade hat er eine Komposition für das Jack Quartett, einem renommierte Avantgarde-Streichquartett, fertiggestellt. Sein eigenes Quartett Fly Magic hat er vor drei Jahren gegründet. Neben den Einflüssen aus Postrock, Indierock und Minimalismus sind es vor allem die vielen ruhigen Töne, die aufhorchen lassen.
„Die ruhigen Momente finde ich toll, weil man als Zuhörer viel Zeit hat, sich darauf einzulassen, wenn das Tempo langsam ist. Zumindest geht es mir auch als Musiker so. Ich liebe es, wenn es sich langsam entwickelt. Viel Musik die ich höre, ist ruhig, viel Klassik, Faure oder Ravel zum Beispiel. Oder ich bin großer Fan von Jacob Roh aus Dänemark, Paul Motion, das ist ein großes Idol. Das ist Musik, die sich langsam bewegt.“
Am Anfang seiner Begeisterung für den Jazz standen zwar die großen Namen der 50er-, 60er- und 70er-Jahre, Saxofonisten wie Sonny Rollins, John Coltrane oder Wayne Shorter. Aber Modern Jazz in Reinkultur ist nicht die Sache von Timo Vollbrecht. Er pflegt einen offenen Umgang mit dem Genre, offen in Richtung Klassik und Postrock, Avantgarde, Folklore und Independent.
Gewinnen mit Nichtstun – wie ein Faultier
Vielleicht ist das ja der richtige Weg, wenn man wirklich seine eigene Stimme sucht. „Fly Magic“ jedenfalls überzeugt durch diese eigene Stimme, die im Jazz ja so wichtig ist. Er hat es nicht nötig, seine technischen Fähigkeiten jederzeit unter Beweis zu stellen, das „Schneller, Höher, Weiter“ ist seine Maxime nicht. Stattdessen hält es der Saxofonist Timo Vollbrecht lieber mit dem Faultier, zu Englisch: sloth.
„Ein weitere Lieblingsstück ist ‚Slothchops‘, wir finden als Band das Tier toll, es gewinnt, wenn es nichts tut, wenn es chilled. Wenn jemand chops hat, im Jazz, dann sind das virtuose Fähigkeiten. Das ist so ein Insiderwitz. Wenn jemand die Fähigkeit hat, die Essenz der musik zu treffen, also wenig zu machen, dann sagen wir ‚this guy has slothchops’, er ist auf der Suche nach der Essenz der Musik.“